Bei mir ist gerade ein Online-Stöckchen eingeschlagen. Der bloggende wiesbadener Zahnarzt Michael Cvachovec fragt an, was ich von einem Werbemittel halte, das er als Testmuster bekommen hat.
Die bisherigen Meinungen zur Zahnseide-Visitenkarte scheinen sehr unterschiedlich auszufallen. Die einen sehen in der Visitenkarte einen hervorragenden Eiskratzer für`s Auto, die anderen ein schönes Utensil für die Handtasche und die autofrei denkenden Herren der Schöpfung fragen sich zu Recht, wie man eine solche Visitenkarte wohl in seiner Geldbörse unterbringen soll. Hmmm…
Als ich das Werbemittel nach dem Zahnarzt-Trackback zum ersten Mal im wiesbadener Blog betrachtet hatte, stellte ich mir spontan diverse Fragen:
- Wie kann man die Visitenkarte wohl aus dem Verpackungsmüll befreien?
- Ob das Plastik drum herum ökologisch vertretbar ist?
- Hat die Zahnseide überhaupt einen Deckel? Muss man die raustrennen?
- Wo deponiert man eine solche Visitenkarte wohl? In einem Spiegelschrank im Bad,
statt auf den Schreibtisch, in der Visitenkartenmappe oder gleich im Portemonnaie? - Wie schnell wird eine solche Visitenkarte wohl weggeworfen werden?
- Hat die Visitenkarte nicht ein Loch, wenn man sie aus dem Plastik-Ding entfernt?
- Ist die Zahnseide nicht ein bisschen „fummelig“ eingebaut?
- Ist das nicht ein bisschen wenig Zahnseide?
- Oder täuscht das auf dem Werbemittel-Foto etwa alles nur ein bisschen?
Um mir Klarheit zu verschaffen, habe ich schnell einmal Photoshop angeworfen, das Werbemittel freigestellt und etwas geschärft:
In der Vergrößerung stellte ich fest:
- Negativ: Das ganze Ding scheint keinen Deckel zu haben.
- Negativ: Die Visitenkarte scheint aufgeklebt und untrennbar mit der Zahnarztbox verbunden zu sein.
- Positiv: Die Box wird wohl mit reichlich Zahnseide gefüllt sein.
- Neutral: Das Mittelteil scheint mit der Plastikhülle untrennbar verbunden zu sein.
Als Privatmann würde ich meine vorhandenen Zahnseideprodukte (Bild rechts) dem Werbemittel vorziehen. Als Geschäftsmann würde ich echte Visitenkarten, von denen man in der Regel tausende zu verwalten hat, dem Plastik-Produkt vorziehen. Als Marketing-Berater würde ich einem Zahnarzt davon abraten, ein Werbemittel in dieser Ausführung zu verwenden. Sein Job ist es, für Zahnhygiene und Zahngesundheit zu sorgen. Sollte ich mich in Sachen „fehlende Schutzhülle“ nicht irren, steht zu befürchten, dass das Zahnarzt-Werbemittel recht schnell zu einem Schmuddelprodukt verkommen wird, so dass der Hygieneanspruch des Zahnpflegeprodukts wohl leider nicht erfüllt wird. Für mich eine grausige Vorstellung, wenn die Zahnseide-Visitenkarte tatsächlich als Eiskratzer verkommt und auf Noteinsätze im Winter warten muss. Ebenso gruselig, wenn die Zahnseide offen in einer Damenhandtasche landet und dort am laufenden Band befummelt wird, im Umfeld von ohnehin dreckigem Geld, Lippenstiften, … und wer weiß, was noch. Ich kenne mich in Damenhandtaschen nicht wirklich gut aus. 😉
Fazit: Eine Visitenkarte ist eine Visitenkarte und ein „Grabbelprodukt“. Ein Zahnseideprodukt ist ein Produkt für die Mundhygiene. Als Marketing-Berater würde ich einem Zahnarzt das oben dargestellte Produkt nicht empfehlen, weil es in der vorgestellten Ausführung den marketingseitigen Hygieneansprüchen eines Zahnarztes nicht gerecht zu werden scheint.
Die Kombination aus Visitenkarte und Zahnpflegeprodukt scheint auf den ersten Blick eine schöne und ausbaufähige Idee zu sein. Als Marketing Consultant hätte ich jedoch ein Zahnseideprodukt entwickelt, das den Anforderungen der Mundhygiene nicht im Wege steht, weil dieser Fauxpass für das Marketing eines Zahnarztes in seiner Eigenschaft als „Saubermann“ sehr contraproduktiv sein kann. Ein professionelles Werbemittel könnte man entweder analog zu den bekannten Produkten entwickeln, mit einfachem Werbemittelaufdruck oder mit heraustrennbarer Visitenkarte, zum Beispiel als zusätzliche Beigabe auf der Unterseite des Zahnseidespenders. Im letzteren Fall bräuchte der Topf jedoch unbedingt noch einen Deckel.
Aber. Dies ist nur meine Sicht als Marketing-Berater und Perfektionist. Nicht jeder macht sich Gedanken aus Kunden-(Nutzen)-Sicht. Aber dafür, dass wir anders denken, werden wir Marketing-Fachleute in der Regel ja bezahlt… 😉
Wer keinen Marketing-Boomerang fürchtet, kann das vermutlich relativ preiswerte Produkt ja einfach einmal ausprobieren. Die meisten Patienten werden es wahrscheinlich hygienegerecht wegschließen oder bei übermäßiger Verschmutzung eben „rechtzeitig“ entsorgen. Um den vermutlich geringen Prozentsatz der Zahnseidebenutzer zu erhöhen, ist die Zahnseidenvisitenkarte sicher ein schöner Marketing-Gag. Es gibt etwas umsonst, das man einfach einmal ausprobieren kann… Schade, dass das Produkt vom Hersteller nicht vollständig durchdacht wurde. Sollte er es noch verbessern, vom einfachen Werbemittel zum echten Zahnarzt-Marketing-Accessoir, könnte es definitiv eine viel versprechende Zukunft haben.