Ein Wort zum Sonntag:
Überlegungen zu Marketing, Telefonmarketing und Datenschutzgesetzen.
Wie groß ist die Bedrohung für Unternehmen, die im deutschen Markt agieren?
Unter uns: Wenn Werbung einmal richtig funktioniert – davon sind wir natürlich noch seeeeehr weit entfernt – liest sie dem Verbraucher seine Wünsche von den Lippen ab. Natürlich nicht einfach so, sondern genau dann, wenn mal wieder der Zeitpunkt gekommen ist, wo er sich nach Werbung sehnt. Oder aber, wenn es etwas Neues gibt, wofür sich der Verbraucher „allgemein“ besonders interessiert.
„Wenn er was tut?“ Richtig. Wenn er sich nach Werbung sehnt! Und NUR dann, wenn er sich nach Werbung sehnt. Und zwar nach Werbung für eine absolut 100prozentige Befriedigung konkreter Bedürfnisse.
Google hätte es theoretisch leicht, solche Bedürfnisse zu befriedigen. Die Suchmaschine könnte die aktuelle Recherche (Suchanfragen) checken, einen regionalen Vertragspartner auswählen und seine Telefonnummer nebst Rückruf-Button einblenden.
Nun habe ich den Rechner aber gerade ausgeschaltet und die unterschiedlichen Medien, das Internet und mein TV, sind noch nicht wirklich zusammengewachsen… Hmmm….
Mal angenommen… ich lege mich nach einem langen, harten Arbeitstag einigermaßen erschöpft vor meinen Fernseher, um vor dem Schlafen gehen noch etwas abzuschalten. Während ich vor mich hin zappe fällt mir plötzlich auf, dass mein Magen knurrt. Bei all dem Stress des Tages habe ich doch tatsächlich vergessen, etwas zu essen. Ich blättere also durch meinen regionalen „Lieferservice-Channel“ und klicke auf „Bitte die Empfehlungen des Tages abspielen, einschließlich aktueller Lieferzeit und Konsumentenbewertung. Anschließend zwecks Bestellannahme anrufen“… Es erscheint die passende Werbung, das Telefon klingelt, mein Agent nimmt die Bestellung auf und leitet sie unverzüglich weiter… Eine halbe Stunde später klingelt es an meiner Tür und ein freundlicher Mensch überreicht mir mein Dinner for 2, einen guten, dazu passenden Wein und eine Schachtel Zigaretten. Der Abend ist gerettet. 😉
Im Beispiel handelt es sich um eine einmalige Willenserklärung. Damit der Auftrag ausgeführt werden kann, erhält der Agent von mir verschiedene Daten, die er für meine Bestellung benötigt. Name, Adresse, Telefonnummer, Essenswunsch, Weinsorte und konkrete Angaben zum Sucht- bzw. Genussverhalten, die Zigarettenmarke. Zwangsläufig wird der Agent meine Daten auch an seine Erfüllungsgehilfen weiterleiten müssen.
Der Agent vermittelt meine Wünsche natürlich nicht umsonst. Um mir das Leben so angenehm wie möglich zu machen – dabei aber auch Fernsehwerbung, Partner-Akquisition (für nationale und internationale Küche), ein Qualitätsmanagement (Überwachung der Servicequalität) usw. finanzieren zu können – wird er versuchen, meine Daten zu speichern und wiederzuverwenden, zum Beispiel für spätere, zu meinem Konsumentenverhalten passende Direktmarketingaktionen, mit Highlights, die zu meinem persönlichen Konsumentenverhalten passen, um mich vom Einmalkunden zum Stammkunden zu machen. Sollte es dem Agenten künftig verboten sein, meine Kundendaten ohne ausdrückliche schriftliche Erklärung zu verwenden, so wird meine Bestellung wahrscheinlich gleichzeitig Anfang und Ende unserer Geschäftsbeziehung sein. Denn wenn es dem Agenten gesetzlich nicht einmal mehr erlaubt ist, seine eigenen Bestandskunden zu kontaktieren, werden kurzfristig seine Preise explodieren müssen. Fast genauso kurzfristig wird er vom Markt wieder verschwinden…
Nun habe ich aber diverse weitere Bedürfnisse. Zum Beispiel das neueste Handy eines bestimmten Herstellers oder einer bestimmten Produktkategorie. Vielleicht ein neues Sofa in einer bestimmten Design- und/oder Preiskategorie. Ich möchte über PKW-Neuheiten in einer bestimmten Fahrzeugklasse auf dem Laufenden gehalten werden, über Mode-Trends, bestimmte Fortbildungsmöglichkeiten und so weiter und so fort… Ich möchte selbst bestimmen, wie ich diese Informationen erhalte, eventuell nur auf bestimmten Informationswegen – per Telefon, Fax, E-Mail, RSS oder Post.
Wie lange werden solche Informationsangebote in Deutschland noch möglich sein, theoretisch?
„Informationsflatrates“ decken sich oftmals mit bestimmten Kundenwünschen, eine 100prozentige Übereinstimmung kann aber nicht immer garantiert werden. Sind weitere Verschärfungen des Datenschutzgesetzes eventuell kunden- und servicefeindlich? Werden solche Verschärfungen die Unternehmen zur Standortverlagerung ins (europäische) Ausland zwingen, weil ein einziger Fehler den Ruin bedeuten kann?
Schwarze Schafe, die Ihren Firmensitz oftmals bereits im Ausland haben und viele von solchen genervte Bundesbürger, veranlassten den deutschen Bundestag dazu, erneut über die Verschärfung des Datenschutzgesetzes nachzudenken. Vor allem im Bereich des Telefonmarketing wurde der Bogen offenbar deutlich überspannt. Auch ich erhielt gestern wieder einmal einen dubiosen Anruf, nach welchem ich angeblich meine Zustimmung für den Empfang von SMS-Mitteilungen noch nicht abgegeben hätte, was ich aufgrund einer vorliegenden SMS-Mitteilung nun tun sollte, jedoch durch Auflegen „verneinte“. Problematisch sind vor allem Telefonbelästigungen, übertrieben häufige Markt- und Meinungsforschungsanrufe, unerwünschte Telefax- und E-Mail-Werbung, …
Aktuellen Informationen des DDV (Deutscher Dialogmarketing Verband e.V.) zu Folge ist die Reaktion der Bundesregierung scheinbar als „mehr als bedenklich einzustufen“. Seit Veröffentlichung mehrerer Mitteilungen zur Verschärfung des Deatenschutzes im September 2008 scheint sich im deutschen Versandhandel einige Unsicherheit breit zu machen.
Das Worst Case Szenario:
Es dürfen keine Kunden mehr kontaktiert werden. Weder potenzielle Neukunden, noch Bestandskunden. Weder per E-Mail, noch per Fax, noch per Telefon und nicht einmal per Post – solange keine ausdrückliche und zwar schriftliche (!) Genehmigung für den Empfang einer „Werbebotschaft“ abgegeben wurde. Nicht einmal Stammkunden dürften kontaktiert werden, die ihre Willenserklärung bei Kaufentscheidung schon früher einmal geäußert haben.
Noch schlimmer: Es wird ferner befürchtet, dass ein Kopplungsverbot engeführt wird, nach welchem die Einwilligungserklärung nicht einmal an Einkaufsvorteile, Dankeschön-Prämien oder ähnliches gekoppelt werden darf. Wie würden dann die Chancen stehen, eine Zustimmung zum Werbe-/Informationsversand zu bekommen?
Derzeit ist nicht einmal klar, ob die befürchteten Regelungen nur für das B2C-Geschäft oder auch für das B2B-Geschäft Anwendung finden würden.
Logisch, dass der Eintritt dieser Befürchtungen einen kompletten Zusammenbruch diverser Wirtschaftszweige in Deutschland bedeuten würde. Nicht nur den Zusammenbruch von Werbe- und Direktmarketing-Agenturen, des Versandhandels und ähnlicher Marktteilnehmer. „Keine Werbung, kein Vertrieb. Nirgendwo.“
Ich kann mir nicht vorstellen, dass die Gesetzesvorlagen so bedrohlich gemeint sind – und noch weniger vorstellen, dass es wirklich soweit kommt. Böse Zungen aber behaupten, der Worst-Case-Fall könnte bereits zum 01.01.2009 Wirklichkeit werden und die Bankenkrise vergleichsweise als „Kleinigkeit“ erscheinen lassen. Hoffen wir mal, dass es soweit nicht kommt.
Die vom DDV angesprochene „90-Punkte-Agenda“ konnte ich mangels Quellangabe leider nicht ausfindig machen, lediglich „kleinere Eingaben wie diese„, in denen sich manche scheinbare Bedrohung allerdings wiederzufinden scheint. Nachforschungen im Parlamentsfernsehen habe ich mir nach Entdeckung diesbezüglicher Kritiken lieber nicht mehr angetan. Die Recherchen auf Bundestags- und -ratsseiten hatten sich bereits als schwierig genug herausgestellt. 😉
Hoffen wir einfach mal, dass die Lobbys gegenüber den Empfehlungen bezüglich Telefonmarketing und Datenschutz aktiv und sensibilisiert genug sind, um die Bedrohungen von rechtschaffenen Unternehmen abzuwenden. Denn sollte an den Gerüchten etwas dran sein, befürchte ich, dass die aktuelle Bankenkrise ein Witz ist, gegenüber dem wirtschaftlichen Schaden, der entsteht, wenn die Marketing-Mühlen in Deutschland vollständig eingefroren werden.
Logisch ist ohnehin empfohlen, das Online Marketing anzukurbeln. Trotz seiner immensen Wichtigkeit ist und bleibt das Performance Marketing im Internet aber nur ein Bestandteil des Marketing-Mix.
Nicht, dass mich hier jemand falsch versteht. Natürlich bin ich ein Befürworter von umfassendem Daten- und Verbraucherschutz. Wenn Recht und Gesetz aber zu eng ausgelegt werden (sollten), scheint mir das Datenschutzgesetz für den Geschützten zur Bedrohung zu werden:
Keine Daten
-> Keine Marketing-Planung
-> Keine Produktion
-> Keine Werbung / kein Vertrieb / keine Logistik
-> Kein Konsum
-> Keine Jobs
-> Kein Geld mehr…
-> Keine Wirtschaft
-> Keine Unternehmen
… und was dann?
Kann so nicht gemeint sein, die Gesetzesvorlage. Oder?